Vollgeld. Voll gut?

Vollgeld. Voll gut?

Unsere Nachbarn in der Schweiz stimmen am 10. Juni 2018 im Rahmen einer Volksabstimmung über ihr Geldsystem ab. Das ist schon reichlich respektabel, denn wer sich mit den Hintergründen und Inhalten der Initiative befasst, kommt sich doch eher vor wie in einer Vorlesung über volkswirtschafliche Grundlagen der Geldschöpfung. Kaum vorstellbar, dass solch eine Abstimmung auch hierzulande möglich ist. Worum geht es hier konkret?

Zunächst einmal darum, wer in einer Volkswirtschaft (bzw. einem Land) eigentlich Geld in Umlauf bringen darf. In Deutschland bzw. dem Eurosystem ist das ganz eindeutig geregelt: das Druckmonopol für Geldscheine liegt bei der Bundesbank, Münzen werden von der jeweiligen Regierung ausgegeben (Münzregal). Als gesetzliches Zahlungsmittel gelten demzufolge uneingeschränkt die Banknoten sowie mit gewissen Einschränkungen auch die Münzen. So weit, so gut.

Neben dem Bargeld gibt es aber auch noch sogenanntes Buchgeld, auch Giralgeld genannt. Das ist Geld, das nur auf Konten existiert, also nicht von einer Notenbank oder einer Regierung in Umlauf gebracht wird. Dieses Geld entsteht zum Beispiel durch Kreditgewährung. Jede Geschäftsbank (sofern sie über ausreichend Eigenkapital verfügt und die notwendigen Mindestreserven bei der Zentralbank unterhält) ist also in der Lage, neues Giralgeld durch Kreditgewährung zu schaffen. Und genau an diesem Punkt setzen nun die Initiatoren der schweizer Initiative „Vollgeld“ an: sie wollen, dass die Schweizer Nationalbank zu 100% eben auch dieses Giralgeld in Umlauf bringt – deshalb Vollgeld. Dadurch soll, nach deren Meinung, das Geldsystem insgesamt stabiler gemacht werden.

Beispielsweise können Banken dann nur noch Kredite vergeben, wenn die Kreditsumme vollständig durch entsprechende Zentralbankrefinanzierung gedeckt ist. Das könnte in Zeiten eines Booms tatsächlich zu einer geringeren Kreditvergabe führen, da die Zentralbank eher vorsichtig agiert als eine Geschäftsbank. Es könnte aber auch notwendige Kreditvergaben erschweren, da hierfür erforderliche regionale Informationen in einer zentralen Behörde nicht vorliegen. Fraglich ist auch, wo Anleger ihr Geld anlegen, wenn es für sicheres Zentralbankgeld kaum noch Zinsen geben wird. Weichen Anleger hier eventuell auf unsicherere, aber höher verzinste Anlageformen im Ausland aus?

Obwohl die Schweizer Nationalbank durch einen solchen Systemwechsel mehr Einflussmöglichkeiten erhält, ist sie keine Befürworterin der Initiative. Sie lehnt die Initiative unter anderem ab, weil sich die Steuerung der Geldnachfrage und des Geldangebots über das Zinsniveau bewährt hat. Ein Wechsel zu einem Geldmengensystem sei ein unnötiger Rückschritt. Sie sieht aber auch größere politische Begehrlichkeiten auf die Nationalbank zukommen, falls es zu einem solchen Systemwechsel kommt. Damit wäre ihre Unabhängigkeit in Gefahr.

Um das Bankensystem sicherer zu gestalten, sind von den Aufsichtsbehörden in den vergangenen Jahren sehr viele Vorschriften erlassen worden, die beispielsweise eine höhere Eigenkapitalausstattung zur Folge haben. An dieser Stelle kann für die Sicherheit des Bankensystems meines Erachtens mehr erreicht werden als durch komplette Systemwechsel mit ungewissem Ausgang.

Aber allein schon der Umstand, dass eine Nation über die Grundlagen der Geldpolitik und die Zusammenhänge im Bankensystem diskutiert und sogar abstimmt, ist ganz schön beachtlich.

Aktualisierung:

Die Abstimmung ist deutlich ausgefallen, das vorläufige Endergebnis sieht wie folgt aus: über 75% der abgegebenen Stimmen lehnen die Vollgeldinitiative ab. In keinem Kanton wurde eine Mehrheit erzielt. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 34%. Somit bleibt weiterhin alles wie gehabt. Die Initianten können sich aber zumindest einen Achtungserfolg auf die Fahnen schreiben.