Finanzstabilitätsbericht 2020: Deutsches Finanzsystem ist stabil

Die Deutsche Bundesbank hat nach dem Finanzstabilitätsgesetz das Mandat, die Stabilität des deutschen Finanzsystems zu überwachen. Es ist ihr Auftrag, Gefahren für die Finanzstabilität zu identifizieren und zu bewerten. Die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems ist von zentraler Bedeutung für die realwirtschaftliche Entwicklung. Über das Finanzsystem werden Ersparnisse und Investitionen koordiniert, es erlaubt die Absicherung gegenüber Risiken, und es ermöglicht den Zahlungsverkehr.

Unvorhersehbare Ereignisse, wie der Ausbruch der Corona-Pandemie, können die Stabilität des Finanzsystems gefährden. In ihrem diesjährigen Finanzstabilitätsbericht analysiert die Bundesbank, inwieweit die Schocks der Corona-Krise das Finanzsystem beeinflusst haben. Dabei kommt die Bundesbank zusammengefasst auf folgende Feststellungen:

Eine Liquiditätsklemme konnte abgewendet werden

Im Frühjahr gingen die Produktion und Umsätze vieler Unternehmen stark zurück. Die finanziellen Verpflichtungen sanken aber nicht im gleichen Umfang, so dass der Liquiditätsbedarf in vielen Branchen sprunghaft stieg. Im Unternehmenssektor drohte eine Liquiditätsklemme, die jedoch insbesondere dank umfangreicher staatlicher Maßnahmen abgewendet wurde. 
Bisher hat die Corona-Krise kaum zu höheren Wertberichtigungen in den Bilanzen der Banken geführt. „Die Banken funktionieren, die Kreditvergabe läuft. Aktuell erfüllt das Bankensystem damit seine zentrale Rolle“, sagte Joachim Wuermeling, das für Bankenaufsicht zuständige Vorstandsmitglied der Bundesbank. „Wichtig ist jetzt, dass die Banken weiterhin ihre Aufgabe erfüllen: gute von schlechten Risiken zu unterscheiden – und Kredite an gute Kreditnehmer auch zu vergeben.“

Unternehmensinsolvenzen noch überschaubar

Bislang zeigen sich die Spuren der Krise nicht in steigenden Insolvenzen im Unternehmenssektor. Hierfür sind nicht zuletzt krisenbedingte staatliche Maßnahmen und Sonderregelungen verantwortlich, insbesondere das vorübergehende Aussetzen der Insolvenzantragspflicht. Zukünftig dürften die Zahl der Insolvenzen und Marktaustritte von Unternehmen jedoch zunehmen. Verlaufen diese Anpassungen ähnlich wie in der Vergangenheit, dürfte dies für die Banken verkraftbar sein, heißt es im Finanzstabilitätsbericht. 

Der Schlüssel zu einer guten Vorbereitung auf steigende Insolvenzen liege für Banken, Politik und öffentliche Verwaltung darin, ausreichende administrative Kapazitäten zu schaffen, erfahrenes Personal bereitzustellen und die Vereinfachung von Insolvenzverfahren zu prüfen.

Strukturwandel ermöglichen und Verwundbarkeiten begrenzen

Ein funktionierendes Finanzsystem wird für den bevorstehenden Strukturwandel zentral sein. Mit der Zeit werden die künftigen wirtschaftlichen Strukturen nach und nach sichtbar werden. „Anders als in der globalen Finanzkrise geht es nicht darum, das Finanzsystem zu reparieren, sondern mithilfe des Finanzsystems Anpassungen in der Realwirtschaft zu ermöglichen“, betonte Buch. Das erfordere stabile Banken und funktionierende Anleihemärkte, aber auch die Finanzierung von Innovationen und Investitionen durch Eigenkapital.

Durch die Pandemie verstärken sich bestehende Verwundbarkeiten im Finanzsystem. Die Verschuldung im privaten und öffentlichen Sektor ist gestiegen, niedrige Zinsen begünstigen eine Suche nach Rendite und eine Unterschätzung von Kreditrisiken. „Das Finanzsystem muss ausreichend robust sein, um mit negativen Entwicklungen umgehen zu können. Die Reformagenda der vergangenen zehn Jahre sollte konsequent fortgeführt werden“, forderte Buch. Dank der Reformen stünden heute auch bessere Instrumente zur Verfügung, um mit Schieflagen von Banken umgehen zu können. In der Krise wurde die bestehende aufsichtliche Flexibilität temporär genutzt. Das bedeute aber nicht, dass die Anforderungen an die Widerstandskraft des Finanzsystems dauerhaft gesenkt werden dürften.